Rudows Geschichte
Rudows Geschichte in 594 Jahren 1373 - 1967
In einer Vielzahl von schriftlichen Werken und in mehreren
Archiven muss man stöbern und suchen, wenn man sich mit der
Geschichte unseres Dorfes vertraut machen will. Allein, es
genügt noch nicht. Den im bescheidenen Umfang noch
vorhandenen steinernen Zeugen früherer Jahre, die teilweise
noch gut erhalten vor uns stehen, muss man seine Aufwartung
machen, um das Bild heimatlicher Vergangenheit zu
vervollkommnen. Zur Abrundung des Gesamtbildes aber schenkt
uns schließlich die Oberfläche der Gemarkung Rudow selbst
die Gelegenheit der Information, wenn man darin zu schauen
und es zu deuten richtig versteht. Nichts liegt also näher
als die Frage, warum entstand gerade hier eine Siedlung, ein
Dorf. Fanden die Menschen eigentlich hier alles, was sie zum
Leben brauchten, oder war es eine aus der Zeit geborene
Zufluchtsstätte?
Unsere Vorfahren fanden, was sie zum Lebensunterhalt
damaliger Zeit benötigten. Aber fangen wir doch richtig von
vorn an und drehen das Rad der Geschichte deshalb weit, weit
zurück. Mit dem Rückgang der urzeitlichen Eisströme
sackten im Schwemmsand der Mark Brandenburg gewaltige
Eisbrocken ein und blieben unverrückbar für ewige Zeiten
liegen. So auch in unserer Rudower Gegend.
Gehen wir hinaus in die südliche Ecke der Gemarkung Rudows,
um uns die vermutlichen Liegeplätze besagter "Eisstückchen"
näher anzusehen. Von den Schönefelder Seen (Tiefe 62 m) im
früheren Kreis Teltow (heute SBZ) zieht sich als Mulde eine
Senke nach Norden, die am alten Grenzschnittpunkt vom Kreis
Teltow/Stadt Berlin ebenfalls einen sumpfigen Pfuhl bildete
(heute SBZ und teilweise verfüllt). Weiter nordwestwärts
ziehend schließen sich dann Klar- und Röthepfuhl an.
Letztgenannter teilte sich hier. Nordostwärts liegend der
heutige Pfuhl östlich der jetzigen Deutschtaler Straße und
in Fortsetzung Richtung Nord der Katenpfuhl am Neudecker Weg.
In nordwestlicher Linie vom Röthepfuhl schlossen sich an der
heutige Katzenpfuhl, westlich der Lolopfuhl und genau nach
Nord verlaufend der Rohrpfuhl. Außerhalb dieser Richtung
liegt bei der heutigen Gärtnerei Glätzner ein namenloser
Pfuhl, während ein ebensolcher etwas nördlich vom
letztgenannten vor Jahren verfüllt wurde. Die Fortsetzung
vom Rohrpfuhl war in südlicher Richtung der frühere
Bleichteich, nachfolgend hieß er Schmiedeteich heute trägt
er die amtliche Bezeichnung Dorfteich. (Früher etwa 20 mal
so groß.) Nordöstlich davon gelegen, gegenüber dem
heutigen Grundstück Prierosser Straße 48
(Jagdschloss),
lag dann in dieser Kette der Teich Schmers-Pfulikin. Im
Kreuzungsbereich der jetzigen Straßen
Kornblumenring/Wegerichstraße/Ranunkelweg dürfte gemäß
des Rudower Feldmarkplans von 1777 ein weiterer Pfuhl
vorhanden gewesen sein, der jedoch im Zuge späterer
Besiedlung ebenso wie der Teich Schmers-Pfulikin verfüllt
wurde. Diese Kette von 15 Pfuhlen, wir hören darüber in der
Urkunde von 1662, als bestimmte Teiche zur Befischung
freigegeben wurden, bildeten einen Zusammenhang in der
sogenannten "Rudower Talrinne".
Es gab also Teiche Bäche, Wiesen, Wald, Fisch, Reiher,
Störche Milan, Bussard und Falke ebenso wie Rebhuhn,
Wildgans, Trappe, Fasan, Hase, Reh und das nötige Ried
(Schilfrohr) für die Dächer der Hütten und Häuser.
Östlich dieser Talrinne befanden sich zwei Sandhöhen, auf
denen heute die Massantesiedlung und die Kolonie "Rudower
Schweiz" beheimatet sind. Die Erhebung, auf der die zuerst
genannte Wohnsiedlung steht, trug einstmals die Bezeichnung
Wein- bzw. Mühlberg. In diesem Gebiet ließ man sich bereits
200 bis 250 Jahre vor Christi nieder und siedelte. Die
Ausgrabungen des Museums für Vor- und Frühgeschichte sind
hierfür der beste Beweis. während man in dem Gebiet des
heutigen Herzblattweges ein etwa 2000jähriges Körpergrab
mit Grabbeigaben fand, wurde im Raume der
Wegerichstraße/Ranunkelweg eine Rundsiedlung mit einem
Langhaus, Spinnhaus und einem Kochhaus mit 14 gut erhaltenen
Feuerstellen aufgedeckt. Der zweifellos beste Fund dieser
Grabung aber war ein vorzüglich erhaltener Tiefbrunnen mit
eichener Einstiegleiter.
Hier also stand eine der ersten Siedlungen unseres
Dorfes.
Die zahlreichen, über die Gemarkung Rudow verbreiteten Funde
wie Steinbeile, Pfeilspitzen, Pfeile, Schilde, Schleifsteine,
Herdgruben, Vasen, Amphoren, bronzezeitliche Tassen, Ringe,
Gürtelhaken, Nadeln, Reibesteine, Ketten, Spinnwirtel,
steinerne Mahltröge Steinpackungsgräber und eine Vielzahl
von Grabbeigaben, wie diese besonders auf den
vorgeschichtlichen Friedhöfen (Köpenicker Straße 1/5 und
Kolonie "Rudower Schweiz") anfielen, sind Zeugen der
Besiedlung und Beweis emsig betriebener Jagd ihrer Bewohner.
Von all diesen Dingen aber besitzt die dörfliche Gemeinde
nicht ein einziges Stück. Es nimmt also nicht wunder, wenn
vom noch Verbliebenen die eigentlichen Bewohner wenig oder
gar nichts mehr erfahren.
Das Urdorf Rudow ist in sogenannter H-Form angelegt. Am
Verlauf der Prierosser und Neuköllner Straße als senkrechte
Schenkel und der Köpenicker Straße als Querbalken ist die
Dorfanlage gut erkennbar. Sie dürfte etwa im 12. bis 13.
Jahrhundert entstanden sein, als sich die Bewohner näher um
die großen Wasserstellen von Bleichteich, Katenpfuhl und
Schmers-Pfulikin herum siedelten. Urkunden über eine
Namensgebung dieser Erstsiedlung gibt es bedauerlicherweise
nicht. Vor rund 594 Jahren,1373 und 1375, wird urkundlich
erstmals etwas Authentisches über Rudow gesagt, als es um
den Zuspruch der zwischen Buckow und Rudow gelegenen
Bruchwiese ging (1373 Markgraf Otto).
Ob unser Dorf zuerst Rüd- oder Rudawe bzw. Rudau oder Rüdow
hieß, ist kaum einwandfrei feststellbar. Nehmen wir daher
den in den Urkunden von 1375 und 1404 niedergelegten
Dorfnamen "Rudawe" urkundlich belegt und geklärt als
ältesten an und lassen ihn dem Dorf zur Ehre gelten
(Wortlaut der Urkunde siehe Anhang).
Vor 1350 müssen jedoch schon Anwohner aufhältlich gewesen
sein, denn die beim Kirchenumbau (1909) entdeckten
Reliefmuster am Grundgemäuer lassen nach Ansicht der
Altertumsforscher keinen Zweifel zu, dass
Zisterziensermönche vom Kloster Lehnin in der ersten Hälfte
des 13.Jahrhunderts diese Kirche erbaut haben.
Mit 64 Hufen (3840 Morgen) Land erfahren wir dann aus dem
Landbuch von 1375 etwas über die Rudower Feldmarkgröße und
deren Besitzverteilung. Krug und Mühle, deren Besitzer zu
Abgaben verpflichtet waren, finden in dieser Urkunde bereits
Erwähnung, jedoch sind über die Standorte keine
Anhaltspunkte aufgezeichnet.
1451 sind dann mehrere Einwohner namentlich im Schoßregister
(Grundbuch) als Hüfner (Besitzer unbestimmter Menge
bäuerlichen Grundes) genannt, darunter auch der historisch
nachweisbar älteste Name "Cruger".
Nicht wer was besaß, wer verlor, wer wen heiratete, wer
Lehrer, Pfarrer oder Küster, Garn- oder Leineweber, Fischer,
Müller, Krugwirt, Schmied oder Bauer war, soll uns
interessieren, denn darüber gibt es von 1373 bis 1967 eine
recht gute Zusammenfassung, sondern einzig die Geschichte des
Dorfes. Aufbau und Verwüstungen durch kriegerische
Handlungen lösten sich ab mit Seuchen und Pest, so dass die
Einwohnerzahl bis fast zum völligen Aussterben dezimiert
wurde.
Waren nach dem Erbregister von 1576 noch namentlich etwa 13
Familien bekannt, so lebten nach den Wirren des 30jährigen
Krieges nur noch die Einwohner Mette, Kruger und Rohrbeck.
Durch den Zuzug von 8 Familien erfolgte eine
Einwohnerauffrischung, so daß im Jahre 1624 im Dorf etwa 182
Personen lebten.
Bis 1652 sank die Einwohnerzahl durch Seuchen jedoch wieder
auf 151 ab.
Während all dieser Jahre teilten sich die Landbesitzteile in
Güter, Hüfner- und Kossätenhöfe. deren Besitzregelung
durchweg durch Lehnbriefe des Landesherrn erfolgte.
So wissen wir, dass zum Beispiel die Gutsbesitzer Dyrike,
Lindholz, von Kötteritz und Kurfürst Joachim II. einige der
eigentlichen Dorfherren waren und Hüfner und Kossäten aus
ihrem Besitz belehnten. Besonders deutlich kommt dies in
einer Urkunde von 1662 zum Ausdruck, als einige
Hufe Besitzer den
Bleichteich, Schmers-Pfulikin, Katen- und Röthepfuhl zur
Befischung zugesprochen erhielten. Daraus darf geschlossen
werden, daß die aufgezählten Pfuhle untereinander durch
Bäche in Verbindung standen; denn Fische halten sich nach
den Naturgesetzen nur in fließenden Gewässern. Nicht viel
anders kann es mit der Bewaldung ausgesehen haben, denn erst
1672 kam es über die Abgabe des sogenannten Stammgeldes zum
freien Holzbezug aus den umliegenden Waldungen.
(Spätere Aufforstungen müssen stattgefunden haben, denn in
der Urkunde vom 6.10.1840 spricht man von der Holzweide und
vom Bauernholze in Rudow. Die Urkunde vom 9.12.1845 besagt
Ähnliches mit den Worten: Das Holz auf der Pfarrplane muss
bis 1.4.1846 und das Holz der Bauern und Kossäten bis zum
1.4.1847 restlos abgeholzt werden. Zu diesen schriftlichen
Hinweisen kommt ein mündlicher meines noch in Köpenick
lebenden,1878 in Johannisthal geborenen Vaters, der besagt
dass sein Großvater 1816 und sein Vater,1846 in Johannisthal
geboren, beide Schäferhirten, sowohl die Königsheide,
Johannisthaler Heide und das Rudower Gehölz eingehend
kannten. Danach lag es etwa im Gebiet der heutigen Rudower
Straßenzüge Neudecker Weg, Mimosenweg, Mistel-,
Buchsbaumweg und Krokusstraße.)1681 legt der Pfarrer
Schütze als Ersatz für das älteste verlorengegangene
Kirchenbuch von 1563 ein neues an. Mit dem Kommen und Gehen
der Fürsten wechselten auch die Gutsherren und so wissen
wir, dass von Heidekamp, König Friedrich I., Loeper, Jancke
und Grothe solche Grundherren waren und dem Dorf ihr Gepräge
gaben.
All dies Wissenswerte hinterließ uns der 1735 verstorbene
Dorfpfarrer Daniel Winter, der hier im Dorf 47 Jahre lang
Seelsorger war. Aus einer Urkunde vom Jahre 1702 ist zu
entnehmen, dass das Rittergut (Prierosser Straße 59-63) in
der Prierosser Straße 48 einen Lustgarten hatte, während
sein Gemüsegarten (Ackerwöhrde) an der Neuköllner Straße
328/334 lag, bis schließlich König Friedrich I. tief in die
Tasche griff, 30000 Taler bezahlte und alles unter seinen Hut
brachte.
Südlich vom Dorfkern, am Eichenauer Weg-Ecke Exiner Straße,
ungehindert den wehenden Winden ausgesetzt, erbaute im Jahre
1858 die Müllerfamilie Brandt die zweite Bockmühle (Abb.).
Die ältere der beiden Mühlen, die in der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts erbaut wurde, fiel im Jahre 1891 einem
verheerenden Feuer zum Opfer. Sie wurde nicht mehr aufgebaut.
Die unten abgebildete Mühle wurde 1918 von Karl Brandt nach
Breddin in der Prignitz verkauft, wo sie bis 1940 nachweisbar
war.
Von dem zu jedem Dorf gehörenden Dorfkrug (Neuköllner
Straße 373/375), der dem Cruger und Bauern Friedrich Krüger
gehörte, lesen wir 1749, dass er in der Neuköllner Straße
365/367 auch noch das sogenannte "Jägerhaus" sein eigen
nannte.
Auf Geheiß des Königs mussten 1753 erhebliche Teile der
Rudower Feldmark (287 Morgen), der Lustgarten (Prierosser
Straße 48) und der diesem Grundstück gegenüberliegende
Teich Schmers-Pfulikin zur Gründung der Kolonie Johannisthal
abgetreten werden.
Eine wohl der ältesten Karten aus dieser Zeit ist der
Rudower Feldmarkplan von 1777. Aus diesem ist die Lage des
"Urdorfes" am besten ersichtlich, denn die heutige Prierosser
Straße (früher Dorf- bzw. Bendastraße), die Neuköllner
Straße(früher Kaiser-Wilhelm-Straße) und die Köpenicker
Straße (früher Glienicker Weg) sind darauf in ihrer Lage
erkennbar, während die Krokusstraße nur als Feldweg
erscheint. Zu dieser Zeit füllte bis auf einen schmalen
Uferstreifen der Bleichteich (heute Dorfteich) die gesamte
Größe des Grundstücks Neuköllner Straße 365/367 aus,
während sein südlicher Teil über die Neuköllner Straße
hinweg (Grundstück 364) fast bis zum heutigen Rudower Fließ
reichte. Die Passage an dieser Stelle der Neuköllner Straße
erfolgte über eine Holzbrücke. Zwischen dem auch 1777 schon
vorhandenen Fließ und dem südlichen Teil des Bleichteichs
lag lediglich eine moorige Wiese, die zur Nachthütung des
zusammengetriebenen Viehs benutzt wurde. Der Fließverlauf
wurde in Höhe der heutigen Post* von einer zweiten
Holzbrücke überspannt, während der Bach im Gebiet des
heutigen Ehrenpreisweges in Richtung Nord weiter seinen Lauf
nahm.
Zur Bullenkörung und zum Viehhandeln trieb man in jener Zeit
das Vieh zu dem "Acker am Bullenweg" auf, der im Bereich der
heutigen Straßen Kornblumenring, Ehrenpreisweg und
Kornradenstraße lag. Wassernot und Dürrezeiten (1755 und
1803) aber kannten auch unsere Vorfahren, so daß
Ernährungs- und Aussaatschwierigkeiten mehrfach in die
dörflichen Geschicke eingriffen und im Land allgemeine
Teuerung einsetzte. Nach 34 Jahren, also 1787, kehrten die
1753 abgetrennten Teile jedoch in die dörfliche Heimat
Rudows zurück. Vereint mit anderen Äckern entstand daraus
das Freigut Rudow, das in der Prierosser Straße von den
heutigen Nummern 36-54 einschließlich Teich
Schmers-Pfulikin, in der Neuköllner Straße von 339-357 und
dem Grundstück Nr. 328-334 (Gemüsegarten Ackerwörde)
reichte.
Die vorweihnachtliche Stille des 15.12.1799 (Sonntag) wird
jäh im friedlichen Dorf unterbrochen, als das Geläut der
Sturmglocke Feuer verkündet. Im Haus der Küsterei zum
Ausbruch gekommen, greifen die Flammen windbegünstigt auf
die Pfarrei, Amtsschäferei, Schmiede, Dorfkrug und mehrere
Bauern- und Kossätenhöfe über und legen alles in Schutt
und Asche.
Wichtige Entscheidungen fallen für alle Landesbewohner, als
am 17. 2.1818 die Leibeigenschaft und am 28.10.1824 die
Naturaldienstabgaben gesetzlich aufgehoben werden.
Fleiß, Sparsamkeit und Streben zur Eigentumsbildung blühen
auf und schenken dem Land eine segensreiche Zeit. Es wird
gebaut und ausgebaut, wie es auch aus einem Bauplan der
Familie Ehling von 1827 hervorgeht. Präzise sind die
Grundverhältnisse von Geh. Rat Wölper und den Familien
Rietz und Zeige als Anrainer notiert. Der wichtigste Hinweis
aber betrifft den ehemaligen "Zeinersteig" oder auch
"Fußsteig nach Cöpnick", wie er ursprünglich verlief und
für ein kurzes Stück heut noch vorhanden ist (Grundstück
Krokusstraße 81).Eine ähnliche Aufklärung über die
Grundverteilung vom Freigut, Janckeschem Büdnergut,
Heidekamp-Garten Gärtner- und Jägerhaus, sowie auch die
Schmiede gibt uns die Rainerkarte von 1842.
Im Jahre 1856, als etwa das Geschlecht derer von Benda
Gutsherren waren, hören wir, daß die Einwohnerzahl
inzwischen auf 591 gestiegen war. Der im Laufe der
Jahrhunderte mehrfach seinen Namen wechselnde Besitz
Prierosser Straße 48 von Lustgarten über Freigut zum
Jagdschloss taucht
unter dem letztgenannten Namen erstmals am 4.10.1669 auf, es
bezeichnet das etwa im 17.Jahrhundert erbaute und noch
stehende Gebäude mit Garten.
Erst vor kurzer Zeit (1967) wurde in der Neuköllner Straße
356 mit dem Teilabriß von Gebäuden begonnen, von denen aus,
etwa von 1872 bis 1906, die Schwestern vom "Ursulin-Orden"
ihre segensreiche Tätigkeit ausübten. Steter Besitzwechsel
beim Rittergut, besonders aber beim Freigut Rudow,
allmählich einsetzende Erbstreitigkeiten und Verarmung
führten schließlich zu Teilverkäufen vom Landbesitz des
Rittergutes und zum völligen Zerfall des Freigutbesitzes.
Dieser Niedergang war jedoch nur vorübergehender Natur. Neue
Höfe entstanden, vielseitige Wirtschaftszweige taten sich
auf, das Erntegut musste auf die Märkte der umliegenden
Großdörfer und Städte gebracht werden, und so führte
dieser Umstand zum Straßenausbau: 1879 nach Adlershof,1885
nach Buckow,1888 nach Johannisthal,1907 nach
Groß-Ziethen.
Von der Neuköllner Straße 369-371 her drang wuchtiger
Hammerschlag durch des Dorfes Stille, wenn die Bauern beim
Schmied um neuen Beschlag von Pferd und Wagen nachsuchten.
Etwa zur gleichen Zeit trug man das ehrenwürdige Amt des
Nachtwächters zu Grabe, und eine der volkstümlichen
Gestalten dörflichen Lebens verschwand für immer in
Rudow.
. Wie in vielen anderen Orten der Mark die Segnungen der
neuen Zeit fühlbar in die Geschicke der Menschen
eingegriffen hatten, so kam in Form der Eisenbahn 1900 auch
das "Dampfroß" nach Rudow, und es hieß künftig lakonisch
"Station Rudow bei Berlin".
Die bis zum heutigen Tage nie aufhörende "Buddelei" begann
für Rudow schon am 2. 5.1901, als es hieß, das Dorf erhält
die ersten Gaslaternen.
1903 verkaufte der Rittergutsbesitzer von Benda größere
Teile seines Landbesitzes. Es wurde gesiedelt und gebaut, und
schließlich zwang die auf 1700 Seelen angestiegegene
Einwohnerzahl 1904 den Gemeindevorstand, mit dem Verlegen von
Wasserleitungen zu beginnen. Als die alte liebgewonnene
"Berliner Pumpe" vom Dorfbild verschwand, kam gleichfalls die
Geburtsstunde der noch heute bewährten "freiwilligen
Feuerwehr Rudow".
Zwischenzeitlich waren dann auch die Kirchenumbauarbeiten
beendet. Rumpelnd und ratternd fuhr dann von Rixdorf kommend
am 1.10.1913 eingleisig die erste Straßenbahn in Rudow ein.
(Einstellung des Straßenbahnverkehrs nach 53 Jahren am
1.10.1966.) Mit Beendigung des Krieges 1914/1918 pilgerten
dann die lufthungrigen Städter aufs Land, bauten, siedelten,
und sprunghaft ist die Einwohnerzahl bis 1933 auf 12000
hochgeschnellt. Die verderbliche Zeit des Krieges 1939/1945
ging auch am heimatlichen Dorf nicht spurlos vorüber. Tote
und Verletzte, abgebrannte und eingestürzte Häuser durch
Bombenabwürfe gab es auch hier. Gemessen aber an dem
unsagbaren Leid der Berliner Innenstadt, der Vertriebenen,
der Flüchtlinge und Kriegshinterbliebenen hielten sich die
Verluste und Schäden in Rudow in erträglichen Grenzen. Die
nach 1945 einsetzende gemeindemäßige und politische
Entwicklung aber kennen Sie alle selbst.
Rudow lebt und besteht weiter. Die neuen Anlagen wie
Mustergut (Klein-Ziethener Weg), Milchhof(Waßmannsdorfer
Chaussee), Kraftwerk Rudow, Fabriken, Siedlungen,
Autobuslinien und die Großbaustelle Gropiusstadt beweisen
es.
Aus diesem Dorf Rudawe von 1373 mit 13 Familien (ca. 60
Personen) ist die stattliche Gemeinde von rund 25 000
Einwohnern 1967 geworden.
Eine wahrhaft ehrenvolle Geschichte 594jährigen
Bestehens.
Bruno Galle (ehemaliger Reviervorsteher in
Rudow)